Scheitern – Was wäre Phönix ohne seine Asche?
„Warum gehört das Scheitern zu meinem Leben?!“ Gerade erreicht mich die Frage einer Klientin. Wo würde sie heute ohne ihr „Scheitern“ stehen?! Ob sie lieber noch dort wäre? Und auch das jetzige „Scheitern“ – würde sie lieber nicht „scheitern“ und in alter Manier weitermachen wollen, obwohl sie bereits die Erfahrung gemacht hat, dass ihr „Scheitern“ sie zu neuen Ufern führt?
Wenn es ums „Scheitern“ geht, stehen wir gleich mitten drin in der Frage nach dem Sinn unseres Lebens hier auf Erden.
- Warum sind wir hier?
- Warum bin ich hier?
- Was ist der Sinn meines Lebens?
Willkommen in der dualen Welt!
Auf der Erde treffen wir auf eine duale Welt. Was bedeutet, dass wir in und mit Gegensätzen leben. Schwarz und weiß, heiß und kalt, Glück und Leid. Und den Nuancen, die zwischen den beiden Polen liegt. Die Lebensweisheit: Unter jedem Dach ein „ach“, weist daraufhin, dass bereits Menschen vor uns die Erfahrung gemacht haben, dass das Leben hier auf Erden ohne „Pech“ und „Leid“ nicht von statten geht. Jeder hat sein „Päckchen“ zu tragen. Und wer sich noch tiefer in die Spiritualität hineinwagt, wird erfahren, dass er sich die „Päckchen“ seines Lebensrucksacks auch noch selbst zusammengestellt hat.
Warum? Warum habe ich mir das angetan?! Was will ich hier?
- Erfahrungen machen.
- Emotionen erleben.
- Dich weiterentwickeln.
- Deine „Päckchen“ abarbeiten.
Auf einer anderen Ebene fand deine Seele das spannend und erstrebenswert. Voller Vorfreude und Abenteuerlust hat sie deinen Rucksack vollgepackt. Damit das Unternehmen gelingt, lautet die erste „Spielregel“, dass wir mit unserer Geburt vergessen, woher wir kommen und wer wir sind. Und wir sind von nun an zu dritt: Körper, Geist und Seele. Wenn wir im Laufe unseres Lebens erwachen, Kommt noch der „Beobachter“ hinzu. Mit seiner Unterstützung können wir dann Körper, Geist und Seele getrennt von einander wahrnehmen.
Und wer ist dieser „Beobachter“? Ist das vielleicht das, was wir „Ich“ nennen? Wir lernen auch das Ego, das im Geist angesiedelt ist, kennen und lernen, die Bedürfnisse des Egos und der Seele zu unterscheiden. Das „Ich“ beginnt, so langsam die Zügel in die Hand zu nehmen und das Leben selbst zu bestimmen. Wobei die „Päckchen“ die (von unser Seele zusammen gestellten) Ereigniskarten im „Spiel des Lebens“ darstellen.
Kein Tesa ohne Scheitern.
Gehört „Scheitern“ eigentlich zu den Erlebnissen, die in der Dualität unvermeidlich sind? Oder was ist „Scheitern“ sonst?
Heiß oder kalt „sind“. Es gibt kein „gutes“ oder „schlechtes“ heiß oder kalt. Heiß und kalt (und alle Grade dazwischen) werden mittels Temperatur gemessen und „sind“. Wir können die Temperatur als „zu“ heiß oder kalt empfinden. Das sagt dann etwas über uns und nicht über die Temperatur aus.
„Scheitern“.Was bedeutet „Scheitern“? Und was ist das Gegenteil von „Scheitern“? Wir würden vielleicht „Gelingen“ sagen. Gelingen und Scheitern sagen also etwas darüber aus, ob ich etwas geschafft oder nicht geschafft habe. Etwas zu schaffen oder etwas nicht zu schaffen ist zunächst vollkommen wertfrei. Erst indem ich das „Nichtschaffen“ mit der Bewertung „gescheitert“ belege, mache ich es zu etwas Negativem, was es aus Sicht der Gemeinschaft/Gesellschaft zu vermeiden gilt. Warum?!
Entdecker, Tüftler, Forscher zeigen uns doch immer wieder, dass der Weg über etwas nicht im ersten Anlauf geschafft zu haben, am Ende zu großartigem Erfolg führen kann. Wo wären wir ohne Edisons Glühbirne oder Phonographen? Zu insgesamt 2000 Erfindungen hat er es gebracht. Nie hat er sich als „gescheitert“ angesehen. Aus seiner Sicht hat er mit Erfolg zehntausend Wege entdeckt, die zu keinem Ergebnis geführt haben. Womit er das gewünschte Ergebnis meint. Zu einem Ergebnis haben die Wege schon geführt.
Und oft führen gerade diese Wege zu Errungenschaften, die es ohne sie gar nicht gegeben hätte. Wie zum Beispiel Tesafilm. Als Wundpflaster entwickelt und „gescheitert“. Weil es sehr gut klebt, doch auch der Haut zu Reizungen führt, wird es 1896 als das erste technische Klebeband auf den Markt gebracht. Was würden wir ohne unser Tesa machen?! Henry Ford hielt daher Fehlschläge oft für erfolgreicher als die eigentlichen Erfolge.
Achtung: Maßstab!
Der Stempel „Gescheitert!“ ist die Folge einer Bewertung. Würde ich die Situation lediglich beschreiben, könnte ich das zum Beispiel auf diese Weise tun: Die Handlung oder mein Vorhaben hat nicht zu dem gewünschten und erwarteten Ergebnis geführt. Es hat also nicht so funktioniert, wie ich mir das vorgestellt habe.
Als Kleinkind habe ich das 100x am Tag erlebt. Von „Gescheitert!“ wurde da nie gesprochen. Im Gegenteil. Nach dem xten Versuch wird der Erfolg gefeiert. Mein „Scheitern“ beginnt mit der Schulzeit. Warum? Weil meine Leistungen von nun an nach einem bestimmten System bewertet werden. Je nach Ergebnis können sich Lernfreude und Motivation schnell verringern. Grundschulen gehen daher heute vermehrt dazu über, die Leistungen der Schüler zu beschreiben statt sie zu bewerten.
Um etwas zu bewerten, bedarf es eines Maßstabs. Ein Maßstab ergibt sich aus Kriterien. Bleibt die Frage, wer diese Kriterien festlegt und zu welchem Zweck? Sind es meine Kriterien oder sind es die Kriterien anderer, die zu Maßstäben führen, nach denen bewertet wird? Und ist es überhaupt notwendig, zu jeder Zeit alles und jedes zu bewerten?
Für die meisten von uns ist es erst mit zunehmender Lebenserfahrung möglich, ihren eigenen Kriterien zu folgen und sich von Maßstäben anderer unabhängig(er) zu machen. Zunächst suchen wir nach Orientierung im Außen und unterwerfen uns damit den Kriterien dritter. So kann ein „treuer“ Arbeitnehmer in einer Zeit, in der eine Verweildauer in unterschiedlichen Unternehmen als Voraussetzung für beruflichen Erfolg angesehen, schnell als „gescheitert“ gelten. Ja, vielleicht hat er seine Chancen nicht genutzt und seinen Karriere nicht optimiert. Vielleicht war er aber auch von Anfang an zur richtigen Zeit am richtigen Arbeitsplatz. Welchen Maßstab wollen wir hier anlegen? Vielleicht den der eigenen Zufriedenheit?
Gescheiterte Paarbeziehungen?
Das Ende von Paarbeziehungen zeigt besonders gut auf, in welcher Weise Maßstäbe von außen angelegt werden. Geht eine Paarbeziehung zu Ende, wird in der Regel davon gesprochen, dass das Paar „gescheitert“ ist. Gescheitert zu sein, bedeutet, versagt zu haben. Versagt zu haben, löst Scham aus. Und weil Scham kaum auszuhalten ist, versuchen die Partner die Scham über die Frage der „Schuld“ an den jeweils anderen abzugeben. Am Ende wird darum gekämpft, keine Schuld an dem „Scheitern“ gehabt zu haben.
Eine Beziehung geht zu Ende. Und das kann viele Gründe haben. Und da wir in der Dualität leben, können es gute wie schlechte sein. Bei allem im Leben auf Erden habe ich einen Gewinn und zahle ich einen Preis. Oder anders ausgedrückt: Bei allem gibt es Vor- und Nachteile.
Ein Paar trennt sich. Ein Paar hat es nicht „geschafft“. Was hat es nicht geschafft?
- Weiterhin eine Bereicherung für einander zu sein?
- Immer wieder gemeinsame Ziele zu finden?
- Sich im gleichen Maße und in die gleiche Richtung weiterzuentwickeln.
- Oder in der Entwicklung gemeinsam stehen zu bleiben?
- Die Ereigniskarten des Lebens erfolgreich zu meistern?
Was wäre, wenn wir…
- Beziehungen als Wegstrecke betrachten, auf denen wir Begleitung erhalten. Um entsprechend unserer „Päckchen“ Erfahrungen zu machen und Unterstützung zu erhalten.
- „bis das der Tod uns scheidet“ als eine Möglichkeit nehmen würden und Beziehungen zu mehreren Partnern als eine andere?
- „Gescheitert“ als Diktat anderer erkennen würden, die uns aus eigenem Interesse daran hindern wollen, etwas zu tun und zu leben, was unseren Impulsen ganz natürlich entspringt.
- statt uns den Stempel „Gescheitert“ aufdrücken zu lassen oder ihn uns im vorauseilenden Gehorsam selbst aufzudrücken, in kaufmännischer Manier Bilanz ziehen: Was habe ich im Laufe der Beziehung gewonnen, welchen Preis habe ich gezahlt. Welchen Preis zahle ich jetzt im Zuge der Trennung, welchen Gewinn wird die Trennung mir bringen?
Was steht hinter dem Wunsch nach einem Partner fürs Leben?
Und hinterfrage ich doch mal meinen Wunsch nach einem „Lebenspartner“. Warum wünsche ich ihn mir? Warum soll es für ein ganzes Leben sein? Was steht hinter diesem Wunsch? Das Bedürfnis nach Sicherheit. Die Welt ist ein unsicherer Ort, in dem es keinerlei Sicherheit gibt. Das kann unser Leben einerseits spannend machen, andererseits zu Ängsten führen. Je nach Grad unserer eigenen Sicherheit, die wir in uns selbst finden.
So wünschen wir uns einen Partner an unserer Seite, der das unsichere Leben mit uns teilt, uns Rückhalt und Beistand gibt. Ein kluger, mir leider unbekannter Mensch hat das einmal so formuliert: „Jeder Mensch braucht nur einen Menschen. Den aber sehr.“
Die Unmöglichkeit des Scheitern.
Von „Scheitern“ zu sprechen, bedeutet stets, einen Totalverlust erlitten zu haben. Ich bin „gescheitert“. Mein Einsatz hat sich nicht gelohnt. Oder womöglich habe ich es nicht „gebracht“. Am Ende bleibt nichts.
Und das ist Unsinn. Was immer ich auch tue und getan habe, ich mache Erfahrungen. Es kann sein, dass ich die ein oder andere Erfahrungen nicht noch einmal machen möchte. Dafür begeistern mich andere Erfahrungen so, dass ich davon mehr haben möchte.
Was immer ich erlebe, es sind zunächst Erfahrungen, die ich mache. Indem ich sie bewerte, teile ich sie ein in „gut“ und „schlecht“. Die mit „gut“ beurteilten Erfahrungen bereiten mir angenehme Gefühle. Die als „schlecht“ eingestufte Erfahrungen bescheren mir unangenehme Gefühle und tragen das Potential mit sich, mich als Person abzuwerten.
Nützt mir die Bewertung meiner Erfahrung ? Nein. Denn sobald die Bewertung nicht positiv ausfällt, schwächt sie mich. Ein „Ich bin gescheitert“ führt zu Frustration, Trauer und im schlimmsten Fall zu Resignation und Depression. Hingegen führt die Erkenntnis: „Ah, so also nicht…“ zu Umdenkprozessen und zu neuen Lösungsansätzen. Ich kann auch schauen, wohin mich der Weg geführt hat und ob ich von diesen Erfahrungen profitieren kann. So kann ich (dazu)lernen und mich weiterentwickeln.
Und genau das will unsere Seele, unser Höheres Selbst. Wenn etwas nicht so läuft, wie es sich das meinen Verstand nutzende Ego vorgestellt hat, dann bedeutet dies, dass es für mich jetzt um Weiterentwicklung geht. Raus aus der kuscheligen Komfortzone, hinein in den Scheuersack der Lebenserfahrungen.
Vorsicht: Gefahr der Weiterentwicklung!
Spirituell gesehen bin ich hier auf Erden, um mich weiterzuentwickeln. Und wann bzw. wodurch entwickle ich mich am ehesten, schnellsten und effektivsten weiter? Indem mich „das Leben“ aus meiner Komfortzone herauskatapultiert.
Und dann finde ich mich vielleicht eines Nachts bei strömendem Regen auf einsamer Strecke im Nirgendwo mit einem geplatzten Autoreifen wieder. Eine Erfahrung, die ich ganz sicher nicht brauche. Oder doch? Welche Erfahrung(en) soll ich jetzt machen? Zum Beispiel die, dass ich in der Lage bin, einen Reifen zu wechseln. Alleine. Mitten in der Nacht. Bei Regen. Welche Kräfte, welche Sicherheit kann mir das für meinen weiteren Weg verleihen?!
Und wenn ich es nicht schaffe? Bin ich dann „gescheitert“? Mal abgesehen davon, dass ich es nicht „geschafft“ habe, den Reifen zu wechseln, kann ich jede Menge anderer wichtiger Erfahrungen machen. Ich kann die Erfahrung machen, dass ich die Nacht trotzdem überleben werde. Und ich kann erfahren, dass ich eine missliche Situation aushalten kann. Ebenso kann ich lernen, loszulassen und mich in Geduld zu üben. Meine Kreativität kann zu Hochform auflaufen, da ich weiß, dass es immer eine Lösung gibt. Ich erleben, wie dankbar ich werde für Alltäglichkeiten, Selbstverständlichkeiten, die ich gar nicht mehr wahrnehme, geschweige denn zu schätzen weiß: Ein warmes Getränk, etwas zu essen, einen warmen Raum, Menschen, die mir helfen. Den Sonnenaufgang, der mir hilft, klarer zu sehen, Mut zu fassen und mich an die Lösung des Problems zu machen.
Wie Phönix aus der Asche.
Wie dieser Vogel aus der Mythologie, der (am Ende seines Lebenszyklus) verbrennt, um aus seiner Asche wieder neu zu erstehen, so erstehen wir nach jeder Erfahrung, die uns aus unserer Komfortzone geworfen hat, gestärkt auf. Wir haben uns am Boden gefühlt, am Ende, vielleicht sogar ohne Hoffnung.
Vielleicht hat uns das „kleine Licht“ geholfen, dass dann von irgendwoher gekommen ist, als wir dachten, nichts geht mehr. Wir stehen auf, rücken „das Krönchen“ zu recht und nehmen die nächste Stufe unserer Lebensleiter. Wir sind gewachsen. Und haben unendlich viel dazu gelernt. Scheitern können wir nur in den Augen derer, die uns mit ihren Maßstäben bewerten. Denn wir haben lediglich Erfahrungen gemacht und uns weiterentwickelt. Gestärkt gehen wir unseren Weg weiter.
Und meine Klientin? Ihr ist schnell aufgefallen, dass sie wieder bewertet hat, statt die Situation zu beschreiben. Die Situation zu beschreiben, lässt sie den Sachverhalt, ihren Anteil und ihre Lernaufgabe klarer sehen und zeigt ihr neue Handlungsmöglichkeit auf.
Martina Kompakt
- Streiche „Scheitern“ aus deinem Leben.
- Erkennen, dass es sich um „Erfahrungen“ handelt, die du machst.
- Erfahrungen lassen dich wachsen. Immer!
- Experimentiere. Sei neugierig. Gehe unbekannte Wege. Schaue, was sie dir zu bieten haben und an welches Ziel sie dich bringen. Auch wenn du umkehren musst, du wirst nie ohne Erfahrungen heimkehren.
- Wenn dein Weg das Ziel ist, dann blicke auch nach rechts und nach links. Nutze all das, was dir der Weg zu deinem Ziel zu bieten hat. Angekommen an deinem Ziel wirst du von dem zehren, was du auf deinem Weg erlebt hast.
- Beginne dich zu freuen, wenn etwas nicht so läuft, wie gedacht oder geplant, und Kreativität gefragt ist. Etwas Neues soll entstehen. Und das Neue wird etwas für dich Besseres sein.